Nach rund 300-jähriger Bergbaugeschichte hat Nordrhein-Westfalen
enge Bezüge zum Leben unter Tage. Auch seitdem die letzte Zeche geschlossen ist, gibt's einige Gelegenheiten, um einen Gang in den Untergrund zu wagen. Hier warten aber nicht nur
Kohlenflöze und Bergmannskluft, sondern auch Lichtkunst, Ölmalerei, Ritualbäder und Action hinter Bunkertüren. Gute Reise!
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Manches Kulturhaus hat seine Ausstellungsflächen
in die Tiefe verlegt und die Montanindustrie hat unterirdische Einrichtungenin Erlebnis- und Eventstätten verwandelt. In Schaubergwerken vermitteln Rundgänge
nun Fachwissen über Steiger und Stollen. Der Kulturkenner zeigt, welche Orte
Gästen beispiellose Erlebnisse in bis zu 300 Metern Tiefe bieten.
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Das
Museum unter Tage (MuT) ist ein Ort der Kontraste: Unter der Hauptachse des
Schlossparks Weitmar liegen im Bochumer Süd-Westen seit 2015 insgesamt 1500
Quadratmeter Ausstellungsfläche unter der Erde. Ein quaderförmiger Eingang ermöglicht mit Treppe und Fahrstuhl den Zugang zur funktional
gestalteten Präsentationsebene. Wunderlich, dass hier gerade Landschaftskunst
mit farbenfrohem Licht- und Wolkenspiel zu finden ist, wo doch braune Erde die
Gäste hinter weißen Wänden umgibt.
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Besucher*innen, die sich bei einem Spaziergang
durchs Grüne in die subterranen Gefilde begeben, entdecken in dem 5,50 Meter
tiefen Untergrundmuseum vom Ölgemälde bis zur raumfüllenden Video-Sound-Installation
alles an Kunst, was die Rolle des Individuums in der Welt spiegeln kann.
Die
Dauerausstellung „Weltsichten“ wirft den Blick bis zu 500 Jahre zurück. Sie
schlüsselt Strömungen und Stile der Landschaftskunst auf. Ein separater Bereich
ist hier zudem Wechselausstellungen gewidmet, die Abwechslung bei einem
erneuten Museumsbesuch bieten.
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Von der Landschafts- zur Lichtkunst: Diese
können Gäste in Iserlohn bestaunen. An
allen März-Wochenenden tauchen die „Höhlenlichter“ die Dechenhöhle
in ein magisch anmutendes Lichtermeer. Stalagmiten und Stalaktiten, Tropfsteinsäulen
und Kristalle funkeln dann in blau, rot oder grün in der Schwärze auf. Lampen, Projektionen und Installationen sorgen zu den Eventtagen in einer der
schönsten Tropfsteinhöhlen Deutschlands für erinnerungswürdige Momente.
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Bei einer Führung durch die natürlich geschaffene
Unterwelt stoßen Höhlenforschende auf glimmernde Strichmännchen, große Glühdraht-Gesichter, schimmernde Steinbögen und die "Guardians of Time" (im Bild). Der Lichtkünstler Wolfgang Flammersfeld hat sie in
der Dechenhöhle in engen Gängen, auf Anhöhen oder im freien Raum
positioniert und somit verschiede Lichtstimmungen geschaffen. Geräusche und
Klänge untermalen das erinnerungswürdige Lichtensemble, das seit der Premiere
2011 immer wieder zu neuer Form findet.
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Die Kluterthöhle in Ennepetal ist eines der am besten
erhaltenen versteinerten Korallenriffe Europas. Kultur unter Tage heißt hier,
an einer Forschungsreise zu unterirdischen Seen und zu Millionen Jahre
alten Fossilien teilzunehmen, die schon seit rund 140 Jahren Besucher*innen anlocken. Links und rechts der Wege funkeln Schwämme, Muscheln und Korallen in geheimnisvollem Licht.
Höhlenwandernde gehen hier einer spannenden Naturgeschichte nach, die von
sinkenden Meeresspiegeln, Gesteinsverschiebungen und dem Reichtum des Tier- und
Pflanzenreichs erzählt.
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Eindeutige Höhepunkte
im Führungsreigen sind die Erlebnis- wie Extremtouren, die sich an
unerschrockene Höhlenpionier*innen richten, die zwischen den Kalkgesteinen ab- und
auftauchen wollen. Gebückt oder kriechend machen sie sich auf den Weg durch das
verzweigte Gangsystem. Bei der “XX-Treme-Tour" sogar zuweilen in
gänzlicher Dunkelheit und absoluter Stille.
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Durch einen Berg mit
Rittern und Sagengestalten zu einer der schönsten Höhenburgen Deutschlands
reisen? Klingt zu schön, um wahr zu sein. Das ist für Gäste aber in der
traditionsreichen Drahtzieherstadt Altena im märkischen Sauerland möglich: Hier
führt ein 90 Meter langer Stollen mit Multimedia-Installationen, sieben Toren
und fesselnden Geschichten zu einem Erlebnisaufzug, der wiederum 80 Meter hoch
zur Burg Altena fährt.
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Der Aufzug verbindet
die Altenaer Innenstadt direkt mit der im 12. Jahrhundert errichteten Wehranlage, die
hoch oben über der Stadt thront. Der Gang in den Berg tief unter der Erde ist eine ideale Möglichkeit, sich bereits
unter Tage mit südwestfälischen Legenden auf die Besichtigung der imposanten
Burganlage einzustimmen. Die Dauerausstellung widmet sich unter anderem der
spannenden Geschichte der Grafschaft Mark.
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Wenn die Architektur
eines Gebäudes bereits Bezug auf die ausgestellten Inhalte nimmt,
dann ist das ein Zeichen für gute Planung und ein durchdachtes Gesamtkonzept.
Das Keramion in Frechen zeigt, wie es geht. Die außergewöhnliche
Glas-Beton-Konstruktion des Museums mit seiner kreisförmigen
Schale ist einer Töpferscheibe nachempfunden – dem Werkzeug zur
Herstellung feinster Keramik-Arbeiten, die auf einer über- und zwei
unterirdischen Ausstellungsebenen präsentiert werden.
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Der Kölner
Architekt Peter Neufert hat hier mit dem Ingenieur Stefan Polonyi ganze Arbeit
geleistet, als er das Haus 1970/71 plante und erbaute. Hier kann man in
den unterirdischen Räumen der rheinischen Kultur- und Keramikgeschichte nachspüren. Und etwa Bartmannkrüge aus Steinzeug des 16. bis 19. Jahrhunderts und farbig bemalte
Bildschüsseln des 18. und 19. Jahrhunderts als Höhepunkte der ständigen
Präsentation entdecken.
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Wahrlich ungewöhnlich trumpft eine weitere
Stätte in NRW mit einem Kulturprogramm unter Tage auf: Das Sauerländer
Besucherbergwerk Ramsbeck lädt zum Schlemmen in 300 Metern Tiefe. Dazu gehören
ein Drei-Gänge-Menü mit hausgemachtem Knochenschinken und Sauerkraut aus dem
Henkelmann sowie ein romantisch beleuchteter Stollen. Grubenleuchten, Kerzen
und feierliche Stimmung inklusive. Sie sorgen für eine märchenhafte Atmosphäre beim
Festmahl unter Tage.
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Der Ablauf des rund dreieinhalbstündigen Events im
ehemaligen Erzbergwerk
ist
kurzweilig: Nach dem Anziehen der typischen Steiger-Kluft fahren die Gäste mit
der elektrischen Grubenbahn in den Eickhoffstollen
ein, in dem über Jahrhunderte etwa Blei und Zink gefördert wurden. Eine
Grubenbesichtigung klärt unter Tage dann zunächst über die schwere Arbeit der
Bergleute auf, die hier im Bestwiger Ortsteil Ramsberg einst ihr Tagwerk verrichteten.
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Reisende lernen bei der Tour, wie das
Roh-Erz in Loren ans Tageslicht geschafft wurde. Ehemalige Bergleute empfehlen
sich als Expert*innen und führen die Gruppen durch die unterirdischen Gefilde. Vorbei
geht es an einer der ehemals größten unterirdischen Trommelfördermaschinen der
Welt. Höhepunkt der Besichtigung ist die Vorführung eines Bohrwagens. Dann
wartet das Bankett. Guten Appetit!
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Es
rauscht, es klackert, es zischt. „Hasse Wasser mit? Sonst gehse kaputt da, inne
Saunabude da unten“, ruft ein Kumpel zum anderen. Dann erklingt der Gong
dreimal und der Förderkorb setzt sich in Bewegung. Er saust mit hohem Tempo nach
unten. Die Aufzugkabine des Seilfahrt-Simulators wackelt. Die Täuschung wirkt
real. Es ist, als wären die Gäste des Deutschen Bergbau-Museums Bochum wirklich
auf dem Weg zu Zone Neun, bei 40 Grad Celsius, in engen Gängen zwischen
Fördermaschinen und ohrenbetäubendem Lärm.
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Dann öffnet sich eine schwere Metalltür. Sie
gibt den Weg zum Anschauungsbergwerk in 20 Metern Tiefe frei, das einem realen
Bergwerk detailgetreu nachempfunden ist. Welche technischen Geräte zur
Förderung von Kohle und zum Schutz der Bergleute hier wohl warten? An jeder
Ecke gibt es etwas zu entdecken: Vom druckluftbetriebenen Bohrwagen für die
Sprengarbeit über die Ketten-Schrämmaschine im Streb (im Bild) bis zum Walzenlader mit
Räumschild.
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Sehr eindrucksvoll sind zudem die riesigen
Ausbauschilde, die als Hightech-Stützen eingesetzt wurden und Tunneleinstürze
verhindern sollten. Man kann unter ihnen hindurchlaufen, während die
Blicke den Kettenkratzförderer mit Doppelwalzenlader und sogenanntem Ripper streifen. Unter den Augen der Schutzpatronin aller Kumpel, der heiligen Barbara.
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Auch im LWL-Museum Zeche Nachtigall leuchtet die
Grubenlampe noch. Hier können Gäste bei einer Führung den Nachtigallstollen entdecken,
einen 130 Meter langen Tunnel durch den Wittener Hettberg, der 1990 als
Schaubergwerk ausgebaut wurde. Reisende bahnen sich ihren Weg durch den engen Gang zum Steinkohleflöz. Ursprünglich diente der Stollen dem direkten Transport von abgebautem Schieferton, der aus dem
Steinbruch Dünkelberg zum Ofen der gleichnamigen Ziegelei geschafft wurde. Der
Unternehmer Wilhelm Dünkelberg hatte die Produktionsstätte 1893 auf dem Gelände
der aufgegebenen Zeche Nachtigall am Ufer der Ruhr eröffnet.
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Der geführte Rundgang deckt zum einen die
Geschichte des Steinkohlebergbaus im Muttental ab, die vor rund 300 Jahren
ihren Anfang nahm. Zum anderen geht er auf die Arbeit in der Ziegelei und die
spätere Folgenutzung des Geländes ein. Spannend sind vor allem die vielen
Anekdoten zur Arbeitswelt, die die Fachleute des LWL zu erzählen haben – egal,
ob es sich um den Einbau von Grubenstempeln aus Holz und Stahl oder die
Abbauvorgänge in den Flözen handelt.
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Vom
Historischen zum Actionreichen! Das Trainingsbergwerk Recklinghausen ergänzt
seine bunte Angebotspalette mit Erlebnissen, die die grauen Zellen aktivieren
und die Fitness fordern. Bei den Escape-Room-Szenarien „Grubengold“
und „Gruben(un)glück“ ist schnelle Kombinationsgabe gefragt, wenn sich die
schwere Bunkertür in 17 Metern Tiefe unter der Spitze der Bergehalde Zeche
Recklinghausen schließt. Mal tickt eine Bombe, die von den Gästen entschärft
werden muss. Mal gilt es einen Schatz unbemerkt zu bergen.
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Neben den Rätselspielen und normalen Führungen,
bei denen Besucher*innen etwa die Unterwelt mit einer Kopflampe erkunden oder mit
dem Personenzug zu früheren Arbeitsplätzen gefahren werden, hält das
Trainingsbergwerk eine Handvoll Spezial-Führungen für Hartgesottene bereit.
Hier ist vor allem die Grubenwehrübung hervorzuheben, bei der Teilnehmer*innen
verschiedene Übungen des früheren Hilfetrupps durchlaufen, der die Aufgabe
hatte, bei Unglücken zu helfen. Sportliche Fitness wird für die
fünfstündige Übung vorausgesetzt. Raum- oder Platzangst sind fehl am Platz.
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Was lange währt, wird
endlich gut: 2027 soll es soweit sein und das MiQua öffnet für Gäste auf dem
ehemaligen Rathausplatz in Köln seine Türen. Das LVR-Jüdische Museum im
Archäologischen Quartier Köln wird mit insgesamt acht Jahren Verspätung
fertiggestellt. Die geschichtliche Schatzkammer, die mit umfangreichen
Zeugnissen der römischen, jüdischen und christlichen Geschichte der Stadt von
der Antike bis in die Neuzeit aufwartet, soll ein paar Meter über und unter der Erdoberfläche einige der bedeutendsten
archäologischen Architekturfunde Kölns und des Rheinlands präsentieren.
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Ein
Ausstellungsparcours wird nach der Eröffnung einerseits durch den überirdischen
Museumsneubau wie auch durch ein 6000 Quadratmeter großes Ausgrabungsareal
unter der Erdoberfläche führen. Beim Rundgang machen Besucher*innen dann etwa das
frühere römische Praetorium (Statthalterpalast), das mittelalterliche jüdische
Viertel und das Goldschmiedeviertel aus.
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Sehenswert als
bedeutendes Zeugnis des jüdischen Lebens in Köln vom 11. Jahrhundert bis zur
Vertreibung der Juden im Jahr 1424 wird auch die Mikwe sein. In dem gut 15
Meter tiefen, begehbaren Schacht, der bis zum Grundwasser reicht, führten Juden
einst rituelle Waschungen durch. Gemeindemitglieder mussten das Bad nach allen
Verstößen gegen die Reinheitsgesetze aufsuchen.
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Die Jahrhunderthalle in Bochum ist ein Kulturtempel. Von
historischen Jahrmärkten über Konzerte und Festivals bis hin zu Galas und
Messen finden in der ehemaligen Gaskraftzentrale des Bochumer Vereins alle
Formen kultureller Veranstaltungen statt, die man sich nur denken kann. Bloß die wenigsten Gäste des heutigen Festspielhauses wissen, dass unter dem Komplex
einst Stahl im Untergrund geschmolzen wurde, dass verzweigte Gänge zu externen
Produktionsstätten in ganz Bochum führten.
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Der
Bochumer Verein, der sich bereits im Jahr 1854 aus der „Gussstahlfabrik Mayer
und Kühne“ gründete und ursprünglich „Bochumer Verein für Gussstahlfabrikation“
hieß, hat hier ein verzweigtes unterirdisches System angelegt. Wer es
auskundschaften möchte, hat bei der Führung „Unterwelt plus Westpark“ die
Möglichkeit dazu, die mehrfach im Jahr zu bestimmten Terminen stattfindet.
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Ein weiterer wahrer Museumsstern versteckt sich in Unna: genauer
gesagt in den historischen Gär- und Eiskellern der ehemaligen Lindenbrauerei. Auf
insgesamt 2600 Quadratmetern Fläche erforschen Kulturfans hier im Zentrum für
Internationale Lichtkunst labyrinthartige Gänge, die mit Glühfäden,
LED-Körpern, Schriftzeichen und farbenfrohen Projektionen ausgefüllt sind. Der gläserne
Kubus „Light Phenomena“ der niederländischen Künstlerin Giny Vos weist Gästen bereits vom Lindenplatz den Weg in die erstaunliche Unterwelt.
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Bildnachweise
Folie 1, 6, 7 und 30: Werke Wolfgang Flammersfeld, Foto: Dechenhöhle und
Deutsches Höhlenmuseum Iserlohn
Folie 2 und 17: Deutsches Bergbau-Museum, Foto: Helena Grebe
Folie 3, 14, 15, 16: agentur|roeder
Folie 4 und 5: Museum unter Tage,
Foto: Eric Polenz, Vervoorts & Schindler Architekten BDA
Folie 8, 9, 11, 12, 13 und 31: Tourismus NRW e.V.
Folie 10: Stephan Sensen
Folie 18 und 19: Deutsches Bergbau-Museum, Foto: Karlheinz Jardner
Folie 20: LWL-Industriemuseum, Foto: Jürgen A. Appelhans
Folie 21:
LWL-Industriemuseum, Foto: Annette Hudemann
Folie 22 und 23: Trainingsberg Recklinghausen e.V.
Folie 24: Wandel
Lorch Architekten
Folie 25: Stefan Arendt / LVR
Folie 26: Michael
van den Bogaard / Stadt Köln
Folie 27 und 28: Bochumer Veranstaltungs-GmbH (BoVG)
Folie 29: Giny Vos, Light Phenomena, 2022, Foto: Frank Vinken | dwb
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Das
Kleingedruckte
Eine Produktion des Tourismus NRW
im Januar/Februar 2023 für Kulturkenner.de
Konzept & Texte: Maximilian Hulisz, Jens Nieweg
Noch mehr Kultur unter Tage gefällig?
Weiter geht es bei der Eifel-Bunker-Tour. In einer Multimedia-Reportage stellt der Kulturkenner die "Ausweichsitze" der Bundes- und Landesregierung sowie der Landeszentralbank (LZB) vor.
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