Wandern zum Welterbe
Zeche und Kokerei Zollverein: eines der bedeutendsten Kulturgüter der Welt und heute ein höchst lebendiger Ort für Kunst, Kultur und Kreativwirtschaft. Seit 2001 steht der eindrucksvolle Industriekomplex auf der Welterbe-Liste der UNESCO.
Wer eine Erkundungstour auf Zeche Zollverein mit einer
erlebnisreichen Wanderung verknüpfen möchte, hat jetzt Gelegenheit dazu: Der Zollvereinsteig führt durch die Stadtteile
Katernberg, Altenessen und Schonnebeck. Überall auf dem Weg wird der Strukturwandel sichtbar.
Kaiser Wilhelm Park
Das blaurote Wanderzeichen auf weißem Grund
markiert den Premiumwanderweg. Heute ist es ständiger Begleiter auf der spannenden Reise
zwischen Grünstreifen, Halden, Zechensiedlungen, Kleingärten, Friedhöfen und
historischen Industrieanlagen.
Kurz nach dem Start am Bahnhof „Zollverein
Nord“ taucht es auf an Bäumen, Laternen, Bänken. Erster Zielpunkt ist der
Kaiser Wilhelm Park, ein rund zehn Hektar großes Erholungsgelände, das zum 100.
Geburtstag des Kaisers für die hart arbeitenden Kumpels angelegt wurde.
Zeche Carl Schriftzug
Wer
von der grünen Oase ein Stück weiter gen Norden läuft, stößt auf die Zeche Carl – heute ein Zentrum für
Soziokultur. Zwischen 1861 und 1955 förderten Kumpel hier unzählige Tonnen Steinkohle. Diese Geschichte kann man nur noch erahnen, mit Blick auf den prägnanten Malakowturm etwa, auf das
„Casinogebäude“ mit Kaue
oder auf die ehemaligen Maschinenhäuser.
Zeche Carl
In den
früheren Industriebauten finden seit rund 40 Jahren verschiedenste Veranstaltungen statt: Konzerte, Lesungen, Theateraufführungen, Partys, Festivals...
Das Restaurant mit Biergarten schenkt frisch gezapftes Stauder-Bier von der Altenessener Brauerei
um die Ecke aus. Wer sich für die 150-jährige Geschichte des Familienunternehmens interessiert, kann einen Abstecher zur Produktionsstätte des Traditionsbetriebs machen.
Friedhof Altenessen
Frisch gestärkt kann es dann weitergehen: Nächste Station ist der Nordfriedhof Altenessen. Hier erinnert ein Gräberfeld an 45 Bergleute, die 1942 bei einer Schlagwetterexplosion auf der Zeche Fritz ums Leben kamen. Ein wichtiger Gedenkort für viele ältere Anwohner*innen, deren Familien mit der ehemaligen Förderstätte in Verbindung standen.
Treppe Schurenbachhalde
Der erste Abschnitt des rund 26 Kilometer langen Wanderweges ist bereits geschafft. Die Aussichten waren abwechslungsreich, die Eindrücke vielfältig. Nun wartet ein kurzer Aufstieg auf die 50 Meter hohe Schurenbachhalde, ein Höhepunkt der Tour. Treppenstufen im Osten führen auf den renaturierten Abraumberg, den die Zeche Zollverein noch bis zu ihrer Stilllegung im Jahr 1986 zur Lagerung von Bergematerial nutzte.
Schurenbachhalde Haldenlandschaft
Wow! Oben angekommen entfaltet sich das volle Haldenpanorama. Die oberste dunkle Abraumschicht auf dem Plateau funkelt im Sonnenlicht. Sie gleicht einer Mondlandschaft. Darüber der blaue Himmel, rundherum lebendige Vegetation. Und am Horizont ein Koloss aus gegossenem Stahl: die wuchtige Landmarke des US-amerikanischen Bildhauers Richard Serra zieht alle Blicke auf sich. Dort geht es also hin: Zur Bramme für das Ruhrgebiet ...
Bramme für das Ruhrgebiet
Bramme für das Ruhrgebiet Nahaufnahme
Das imposante Kunstwerk wirkt immer eindrucksvoller, je näher man kommt. Bald zeigt sich ein einmaliges Lichtspiel: Die bunten Graffiti auf der Oberfläche entfalten ihre Strahlkraft. Sie geben dem 67 Tonnen schweren und 14,5 Meter hohen Metallmonolithen den gewissen Charme. Die Bramme wurde bereits 1998 hier aufgestellt und genau nach den Himmelsrichtungen ausgerichtet.
Halde Eickwinkel
Ein serpentinenartiger Schotterweg führt hinab. Die Gedanken kreisen, während die Füße sich durch den Haldenwald bewegen.
Schon naht die Halde Eickwinkel. Mit rund 21 Metern ist sie zwar nicht
die höchste ihrer Art. Doch hat man von oben einen wunderschönen Blick auf den
Rhein-Herne-Kanal und auf die nahegelegene Zeche Nordstern in Gelsenkirchen. Die krönende „Herkules“-Statue des Künstlers Markus Lüpertz ist in der
Ferne zu erkennen, ebenso das Amphitheater im Nordsternpark.
Landschaftliche Panoramen
Die Idylle wird auf dem folgenden Abschnitt der Wanderung durch Weiden mit Tieren ergänzt. An einem Hof blöken Schafe, während bei einer Pferdepension Stuten und Wallache wiehern und langsam galoppieren. Auch in puncto Landschaftsnutzung hat sich der Essener Norden gewandelt. Das zeigt sich auf auf der weiteren Wanderung - ganz unterschiedliche Naturräume warten...
Halde Zollverein
Die Halde
Zollverein entpuppt sich als Wildwuchsgarten mit Zwischenwegen.
Hier empfiehlt sich ab und an ein Blick auf die Wanderkarte, da
Wegzuschreibungen nicht eindeutig sind oder Markierungen leicht übersehen
werden können. Doch bieten sich immer wieder tolle Perspektiven.
Revierpark Nienhausen
Wildblumenfelder
an jeder Ecke: Löwenzahn, Nelken, Gänseblümchen und
Pollenwindröschen. Im Gelsenkirchener Revierpark
Nienhausen sausen Bienen und andere Insekten umher.
Mit
solch einer Kulisse war inmitten einer ehemaligen Schwerindustrie-Region nicht
zu rechnen. Der Park geht
auf das Jahr 1969 zurück und ist somit eine der ältesten Grünanlagen des
Ruhrgebiets.
Aussicht Friedhof Am Hallo
Hoch,
runter. Links, rechts. Dann den Rotthauser Friedhof passieren mit weiteren
Gräberfeldern und Denkmälern für Bergleute, die bei einem
Grubenunglück der Zeche Dahlbusch ums Leben kamen. Schließlich geht's am
Modellflugplatz vorbei, und dann wartet ein weiterer bemerkenswerter Fernblick über
die Stadt Essen.
Sie wurde 2017 als „Grüne Hauptstadt Europas“ ausgezeichnet. Am Friedhof und
Park „Am Hallo“ zeigt sich erneut, warum…
Zollverein Ruhr Museum
Gut 20 Kilometer auf dem Zollvereinsteig liegen nun hinter uns. Die letzten fünf Kilometer der Wanderung sind ganz der Erkundung des 100 Hektar großen Areals des UNESCO-Welterbes
gewidmet.
Das Ruhr Museum in
der ehemaligen Kohlenwäsche ist der erste Anlaufpunkt - es fällt bereits von außen
durch seinen Zugang über eine riesige Außenrolltreppe auf. Im
Innern wartet eine Dauerausstellung mit 6000 Exponaten zur
Industriegeschichte, außerdem gibt es ständig wechselnde Sonderausstellungen.
Zollverein Modell
Ein Abstecher
zum Doppelbock-Förderturm gehört zum
Pflichtprogramm: Das 55 Meter hohe Gerüst ist ein prägendes Symbol der
Kohleindustrie im Ruhrgebiet. Und ein beliebtes Fotomotiv. Fast jeder der 1,5 Millionen Gäste, die es
jährlich auf die Zeche zieht, bringt ein Bild vom Turm mit.
Turbinen an der Kokerei
Auf dem „Weg der Kohle" begegnet man vielen Spuren der früheren Kokerei. Vom Rost gezeichnete Metallrohre, alte Turbinenkühler, entmantelte Kühltürme und eine historische Gasfackel zeugen im Südwesten von einer Zeit, als noch bis zu 1100 Menschen auf der Kokerei beschäftigt waren. Die Relikte der Montanindustrie leiten zu den großen Öfen über, in denen Kohle zu Koks wurde. Noch heute wirken sie majestätisch.
Die Kokerei Zollverein
Die
Kokerei Zollverein war von 1961 bis 1993 aktiv und galt als die
modernste Europas. 2001 eröffnete die Installation „Werksschwimmbad“
der Frankfurter Künstler Dirk Paschke und Daniel Milohnic am östlichen Ende. Hier kann im Sommer jede*r kostenlos baden.
Ein Hingucker ist das große „Sonnenrad“ über der
Koksofenbatterie – ein Riesenrad mit 15 Gondeln. Schade, dass die Attraktion
seit 2010 außer Betrieb ist. Eine Fahrt hätte die Tagestour perfekt gemacht.
PACT Zollverein
Den Abschluss des Ausflugs bildet stattdessen die Station am heutigen Kunstschacht und Choreographischem Zentrum. Im ehemaligen Maschinenhaus auf Schacht 1/2/8 hat sich der Künstler Thomas Rother entfaltet. In der Waschkaue gleich nebenan versteht sich PACT Zollverein als „Initiator, Motor und Bühne für wegweisende Entwicklungen in Tanz, Performance, Theater, Medien und Bildender Kunst.“ Ein Blick hinein ist zu Ausstellungs- und Aufführungsterminen möglich. Beim nächsten Mal gerne!
Rückblick und Kleingedrucktes
Die Reise zum industriellen
Erbe, zu den renaturierten Bergbau-Flächen und Erinnerungsorten hat sich auf
jeden Fall gelohnt. Der Zollvereinsteig ist der dritte Premiumwanderweg
in Essen. Während der Baldeneysteig und Kettwiger Panoramasteig den Süden mit seinen Naherholungsflächen und Gewässern vorstellen, präsentiert der Zollvereinsteig den Strukturwandel im
Norden beispiellos.
Das Kleingedruckte
Eine Produktion des Tourismus NRW/August 2022 für Kulturkenner.de
Konzept & Texte: Maximilian Hulisz
Fotos & Videos: Maximilian Hulisz