Sight Running NRW Laufend Architektur erleben Audiotouren führen zu Sehenswürdigkeiten an der Jogging-Strecke
Equipment und Route
Der Akku
ist geladen, das Handy klemmt am Oberarm und die Kopfhörer sitzen
perfekt im Ohr. Nun muss nur noch die Navigation in der Tourenapp Outdooractive
gestartet werden - und die sportliche Entdeckungsreise geht los: Mit den Audioguides von „Sight Running
NRW“ geht es auf fünf bis 15 Kilometer langen Strecken etwa zur Industriekultur, zum Jüdischen Erbe, zu mittelalterlichen Zentren oder moderner Baukunst.
Routenwahl
Der
Kulturkenner hat sich die 12 Kilometer lange Route in Oberhausen ausgesucht –
eine der 25 Strecken, die von der Architektenkammer NRW erarbeitet wurden. Sie ist - wie die anderen Strecken auch - für
jede*n kostenlos zugänglich. Die Runde zeigt den Wandel der Stadt von der „Wiege
der Ruhrindustrie“ zu einer grünen Freizeitoase. Doch vor dem Start...
... aufwärmen nicht vergessen.
Schloss Oberhausen
Schloss Oberhausen glänzt mit seiner Ludwiggalerie innerlich wie äußerlich: Die prunkvolle Anlage, die zwischen 1804 und 1821 erbaut wurde und heute Kunst von Weltrang beherbergt, fällt durch ihre rosa Farbe ins Auge. „Das Schloss wurde nach Plänen des Münsteraner Baumeisters August Reinking im klassizistischen Stil als Wohnsitz für den Grafen Maximilian Friedrich errichtet“, erklärt der Experte im Ohr. Die Füße bewegen sich, die Gedanken reisen.
Gedenkhalle und Die Trauernde
Die App lenkt die Aufmerksamkeit zur „Vitrine“, einem gläsernen Anbau aus dem Jahr 1998. Er dient heute
als Eingangsbereich.
Auch der südliche Flügel mit seiner Gedenkhalle wird
vorgestellt. Eine Dauerausstellung widmet sich dort den Gräueltaten des
Holocausts. Passend dazu steht vor der Halle die Basaltstatue
„Die Trauernde“. Leider verrät die Touren-App nicht, dass der deutsche Schöpfer
des Mahnmals, Willy Meller, vor 1945 künstlerischer Propagandist der
Nazi-Diktatur war.
Slinky Springs to Fame
Nächstes Ziel: Die begehbare Brückenskulptur
„Slinky Springs to Fame“ des Frankfurter Künstlers Tobias Rehberger. Links und rechts des rund
zweieinhalb Meter breiten Steges gilt es Tagesausflügler*innen auszuweichen. Gar nicht so einfach, denn der
Blick wird wie magisch vom Wasser des Rhein-Herne-Kanals angezogen.
Der
Übergang ebnet den Weg vom grünen Kaisergarten über den Wasserlauf zur
Emscher-Insel. Mit ihren 496 Aluminiumbögen, die den farbigen Weg umkreisen,
ist die Brücke ein echter Publikumsmagnet.
Schwindelgefühle? Keine Spur!
Rhein-Herne-Kanal
Von der
geschwungenen Stahlkonstruktion führt der Weg schließlich hinunter zum Ufer des
Rhein-Herne-Kanals. „Er war lange Zeit die Schlagader des Kohletransports im
Ruhrgebiet. (…) In der Blütezeit der deutschen Steinkohle gab es hier mehr als
30 öffentliche und werkseigene Häfen zum Transport von Erz und Kohle.“
Beindruckend! Auch die Navigation und der Audioguide halten bisher technisch, was
sie versprechen. Nur das GPS-Signal
geht ab und an beim Einschalten des Sperrbildschirms verloren. Erleuchtung bringt
ein Zwischenhalt mit Google-Recherche. Die Akku-Optimierung für die App muss in
den Einstellungen des Handys deaktiviert werden. Aha! Dann kann der
Kurztrip störungsfrei weitergehen.
Olga Park
Spätestens im Olga-Park wird klar,
dass Oberhausen eine landschaftliche Preziose ist. Dem Strukturwandel sei Dank! „Wo früher die Schornsteine der Kokerei rauchten, wird das ehemalige
Kokereigelände Osterfeld heute mit gestalterischen, gärtnerischen und
architektonischen Mitteln nachgezeichnet.“
Eine 26 Hektar große Grünanlage entstand
pünktlich zur Landesgartenschau 1999. Seitdem überragt der 16 Meter hohe
Aussichtsturm „Schwarzes Tor“ das Ensemble aus Bäumen, Pflanzen, Stahl und
Stein.
Panorama Olga Park
Ob auch andere Städte oder Routen bei „Sight Running NRW“ so ein Panorama bieten? Das Architektur-Projekt startete 2019 mit der Idee, Geschäftsleuten vor dem Start in den Arbeitstag die Chance zu geben, sich ein wenig mit baukultureller Untermalung auszupowern. In Düsseldorf und Köln warten City-Flair und Rheinblick auf die Sportler*innen, im Ruhrgebiet gibt es künstlich geschaffene Idylle.
Eisenheim
Puh! Die Sonne scheint und die Schweißperlen
rinnen. Kein Grund, klein beizugeben, wo doch weitere Sehenswürdigkeiten nur Minuten entfernt sind. Die Siedlung Eisenheim gehört dazu: „Sie wurde im
Jahr 1846 gegründet und gilt als die älteste Arbeitersiedlung des Ruhrgebiets.“ Beim aufmerksamen Blick nach links und rechts fallen direkt die vier Eingänge
der einheitlich gehaltenen Backsteinhäuser auf, die an jeder Hausseite zu
finden sind. „Kreuzgrundriss“, erklärt der Fachmann.
Fördergerüst Zeche Osterfeld
Wow! Da ist auch schon der nächste Audiopunkt: Vor
dem großen Fördergerüst der alten Zeche Osterfeld verschlägt es selbst
Marathonläufer*innen schon mal den Atem. Bisher war der Gigant nur aus der Entfernung zu sehen, nun präsentiert er sich in ganzer Pracht.
Der
Turm ist ein bedeutendes Denkmal der Zeche Osterfeld, die rund 120 Jahre in
Betrieb stand und ursprünglich von dem Montan- und Maschinenbauunternehmen
„Gutehoffnungshütte“ gegründet wurde. Viele weitere Elemente der früheren Anlage
sind am Rand des Olga-Parks noch zu sehen.
Zeche Osterfeld
Dazu gehören
unter anderem das Torgebäude, die Verwaltung und die große Mischhalle, die von
Bergleuten und Anwohner*innen liebevoll „Dom“ genannt wird.
In dem Torgebäude ist
heute ein Restaurant mit Außengastronomie untergebracht, das Läufer*innen
wunderbar für eine Pause nutzen können. Falls es jedoch sofort weitergehen soll, ist das auch kein Problem. Die denkmalgeschützten Ankerpunkte
sind von der Strecke aus zu sehen.
Bergmann in Osterfeld Mitte
„Achtung, du verlässt die Route!“. „Noch 300
Meter geradeaus weiter“. „Die Straße überqueren“. Dann: Kein GPS-Signal – eine
Ausnahme im Navigationsfluss. In der Fußgängerzone des Oberhausener
Stadtbezirks Osterfeld kann trotzdem schnell die Orientierung verloren gehen.
Hier ist sich das System manchmal nicht ganz sicher, wo es die Joggenden hinschicken
soll. Eine Empfehlung am Rande: Halt machen, den Blick auf die Karte wagen und
den Zechenkumpel von Künstlerin Christel Lechner grüßen. Der Weg führt an der Kirche St. Pankratius
und der Bezirksverwaltungsstelle Osterfeld vorbei.
Street-Art im Tunnel
Die Hälfte der Strecke ist geschafft! Zwischendurch ist das Joggen auch mal ein gemütliches Walken mit kurzen Pausen geworden. Untrainiert leider kein Wunder.
Nun folgt ein etwa ein Kilometer langer Straßenabschnitt bis zum nächsten Zulauf ins Grüne. Die Häuserfronten werden glücklicherweise
schnell durch einen Autobahntunnel mit Street-Art-Kunst an den Wänden
unterbrochen. Wer von hier weiterläuft, um schließlich erneut zum
Rhein-Herne-Kanal zu gelangen, wird mit einer wunderbaren
Aussicht belohnt. Versprochen!
Bis dahin: Keine Müdigkeit vorschützen!
Der Zauberlehrling
Der „Zauberlehrling“ des Künstlerkollektivs „Inges Idee“ begrüßt die einlaufenden Gäste. Der tanzende Strommast hat sich – im Gegensatz zu seinen Kumpanen – bereits einen freien Platz gesucht. Seit der internationalen Kunstausstellung „Emscherkunst“ im Jahr 2013 leistet er nun hier Bühnendienst. Der Gasometer Oberhausen im Hintergrund wirkt fast wie ein stiller Zuschauer seiner Show.
Haus Ripshorst
Anschließend heißt es: Abtauchen. Unter
Bäumen führt der Weg an einem Schild zur Route der
Industriekultur vorbei. Es verkündet, dass Haus Ripshorst nicht mehr weit ist.
Das RVR-Besucher*innenzentrum ist in einem historischen Gutshof untergebracht. Es
wurde Anfang des 14. Jahrhunderts erbaut und diente lange Zeit als Rittersitz.
Eine multimediale Ausstellung im Innern beschäftigt sich heute mit der
Geschichte des Emscher Landschaftsparks.
Weiter geht’s! Jetzt nicht aus dem Rhythmus kommen!
Westfield Centro
Die natürliche Landschaft hinter, das größte Shoppingzentrum Europas vor einem… Das Centro bildet das Herzstück
der Neuen Mitte Oberhausens. Das wird Läufer*innen sofort klar, wenn sie die
riesigen Parkhäuser passieren.
Einst war hier das
Gelände der Gutehoffnungshütte, dann rissen britische Investoren die
Anlagen des alten Thyssen-Werks Anfang der 90er-Jahre ab, um fünf Jahre
später die moderne Einkaufsmeile zu eröffnen.
Peter Behrens Bau
Das Depotgebäude der früheren Gutehoffnungshütte
ist das nächste Ziel. Heute wie bereits 1920 trägt es den Namen Peter Behrens
Bau - benannt nach dem berühmten deutschen Architekten und Industriedesigner.
„Das 90 Meter
lange Gebäude ist ein horizontal betonter, kubischer Baukörper in
Stahlskelettbauweise, das von massivem Mauerwerk aus Backstein ummantelt wird.“
Dem LVR-Industriemuseum dient das Objekt heute als zentrales Sammlungsdepot und
Ausstellungshaus.
Gasometer Oberhausen
Der Atem stockt, die Puste wird knapp. Aber das Auge huscht nach oben.
Plötzlich sind alle Anstrengungen vergessen. Der Gasometer erscheint als stählerner
Gigant inmitten der Natur.1929 erbaut, 117 Meter hoch, ein Durchmesser von 67
Metern. Unglaublich, dass hier einst 347.000 Kubikmeter Gas gespeichert werden
konnten. Ob die Ingenieure damals ahnen konnten, dass aus ihrem
Arbeitsort einst eine Ausstellungshalle mit Panoramaplattform werden würde?
Das Ziel naht
Nach rund zwölf Kilometern naht der
Zieleinlauf. Die letzten Meter führen durch ein schmuckes Wohngebiet. Manche Häuser sind hier vollständig von Efeu bewachsen.
Als nächste Etappe kommt eine der
sieben Touren in Ostwestfalen-Lippe infrage, die extra für die Regionale 2022
entwickelt wurden. Sie leiten sportliche Architekturfans etwa durch Bielefeld, Höxter,
Paderborn oder Minden. Mal schauen, wo die nächste Entdeckungsreise mit „Sight
Running NRW“ hinläuft…
Das Kleingedruckte
Eine Produktion des Tourismus NRW/Mai 2022 für Kulturkenner.de
Konzept & Texte: Maximilian Hulisz, Jens Nieweg
Fotos & Videos: Maximilian Hulisz
Audios: Architektenkammer Nordrhein-Westfalen, Sprecher Sebastian Tittelbach