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Kulturweg rund um die Luisenhütte

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Die Kleinstadt Balve im Märkischen Sauerland wirbt für sich als Kulturstadt. Dafür gibt es mindestens zwei gute Gründe: Zum einen liegt hier mit der größten Kulturhöhle Europas eine einzigartige Konzert-Location. Zum anderen macht in dem rund 11.500 Einwohner starken Ort ein bedeutendes Industriedenkmal auf die Bergwerks- und Eisenproduktionsgeschichte der Region aufmerksam: die Luisenhütte.

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Der Kulturkenner zieht die Wanderschuhe an und begibt sich auf einen rund vierstündigen Streifzug rund um das historische Hüttenensemble, das erstmals 1758 in Betrieb genommen wurde. Zur Gründungszeit lag es ideal, da es sich nah an natürlichen Ressourcen, einzelnen Erz- und Kiesvorkommen befand.

Auf 8,8 Kilometern Strecke warten nun Zeugnisse der Frühindustrialisierung, ein gräfliches Wasserschloss und wunderbare Naturoasen. Gut sichtbare Wanderzeichen zum „Rundweg Luisenhütte“ markieren den Weg.

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Was der Tag wohl bringt? Nach dem Einstieg in den Rundkurs, der knapp 15 Gehminuten vom Bahnhof Balve entfernt liegt, geht es auf einem Kiesweg steil bergauf. Links und rechts des Pfades ist saftiges Grün auszumachen, aber auch karges Feld. Die Gedanken schweifen bei tiefen Atemzügen: Mussten hier einst Arbeiter entlang, die Materialien wie Gesteine oder Erze zur Weiterverarbeitung in die Hütte trugen? Hüttengäste erfahren es…

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Das Wasserrauschen deutet die Nähe zum Industriedenkmal bereits an: Nicht weit entfernt von der Luisenhütte fließt der Borkebach. In Hochproduktionszeiten diente er zur Energie-Erzeugung. Sein Wasser brachte ein Rad in Schwung, das wiederum zwei Kolbengebläse im Gebläsehaus antrieb.

Bis 1854 war das die einzige Möglichkeit, den Hochofen mit dem notwendigen Sauerstoff zu versorgen. Floss das Wasser aufgrund von Dürre oder Frost nicht, stand auch die Eisengewinnung still. Die Fertigung von Roheisen und Gussprodukten musste warten.

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Doch erstmal alles auf Anfang: Beginnen Kulturfans ihre Entdeckungstour auf dem Hüttengelände, um dem Weg der Produktion zu folgen, starten sie am Schreiberhäuschen, das direkt neben einem GPS-Referenzpunkt für Smartphones eingerichtet ist.

Der Hüttenschreiber hielt hier im 18. und 19. Jahrhundert alle eingehenden Waren schriftlich fest. Er kontrollierte und registrierte angelieferte Erze, Holzkohlen und Kalk. Gäste können heute noch seine Bestandslisten inspizieren, wenn sie sein Domizil betreten. Selbst sein alter Schreibtisch steht noch am angestammten Platz.

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Nächster Blickfang ist die Außenfassade des Hauptgebäudes, das als Herzstück der Anlage etwa den Möllerboden, die Abstich- und Gießhalle, die Pausenräume sowie das Gebläsehaus umfasst. Bereits von außen lassen sich die vielen einzelnen Stationen erahnen, die die Rohstoffe durch das Haus nahmen. Der Gigant aus Stein und Holz vergisst nicht. Die Erinnerungen aus alten Tagen holt das moderne Museum hervor.

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Seit 1950 schon können Gäste das technische Kulturdenkmal betreten, das zwischen 2004 und 2006 komplett restauriert und zur Erlebnisstätte mit vielen interaktiven Objekten umgestaltet wurde. Viele Jahre sind seit der Stilllegung 1865 vergangen, die durch nahe Zollgrenzen, die fortschrittliche Konkurrenz im Ruhrgebiet und den Handwerkermangel notwendig wurde. Doch am ursprünglichen Gebäude-Ensemble hat sich seit dieser Zeit nichts geändert. Das macht es einzigartig in Deutschland, was Entdecker*innen vor Ort erfahren und mit allen ihren Sinnen spüren können.

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Der Weg führt ins Innere: Auf der obersten Hüttenebene liegt der Möllerboden. Hier angekommen, erkennen Besuchende verschiedene Mess- und Transportwerkzeuge wie eine historische Waage und drei Schubkarren. Die Karren sind mit Eisenerz, Holzkohle und Kalkgestein gefüllt – drei Bestandteile zur Herstellung von qualitativ hochwertigem Roheisen neben eisenhaltigem Roteisenstein und manganhaltigem Brauneisenstein.

Selbst ist schließlich der Museumsgast, wenn es ans Anheben der Schubkarren geht! 135, 35 und 145 Kilogramm. Wissensvermittlung kann auch in die Arme gehen…

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Weiter geht’s zum nahegelegenen Hochofen. Auch wenn der Schmelztitan heutzutage nicht mehr beschickt wird, ist der Blick in die Gichtöffnung mehr als eindrucksvoll. Eine gelb leuchtende Lampe am Boden zeigt an, wie tief es hinabgeht. Gäste erfahren: An der heißesten Stelle des Hochofens herrschte im laufenden Betrieb eine Temperatur von 1450 Grad. Nach rund zwölf Stunden war das Material schließlich flüssig genug, um abzufließen.

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In der Abstichhalle auf der untersten Hüttenebene rann die Flüssigkeit dann zur Mittagsstunde und um Mitternacht in eine rinnenförmige Gussform, das sogenannte Masselbett, um auszukühlen. Dieser Vorgang dauerte in aller Regel zwei bis drei Stunden, dann war das Material bereit für die Weiterverarbeitung. Eine zweiminütige Simulation verdeutlicht den Prozess in Kurzform. Eindrucksvoll!

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Nach der Modernisierung in den Jahren 1854/55 durch die gräfliche Unternehmerfamilie von Landsberg-Velen – heute noch Eigentümer des benachbarten Schlosses Wocklum – konnten somit täglich knapp 2,6 Tonnen Eisen produziert werden. Sie veranlasste, dass die Eisengießerei erweitert und der Hochofen vergrößert wurde. Ein Röhrenwinderhitzer für den effektiven Betrieb des Ofens wurde eingebaut, der den im Gebläse erzeugten Luftstrom erhitzte.

Apropos Gebläse: Eine Gebläse-Dampfmaschine ergänzte jetzt das bereits vorhandene Wasserrad. Die Produktion konnte somit neun Monate am Stück ohne größere Unterbrechungen laufen. Abnehmer aus dem In- wie Ausland mussten nicht um ihre Waren bangen.

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Es ist klar, dass die Mitarbeiter bei dieser Akkordarbeit auch mal eine Pause benötigten. Die Pausenräume lagen vermutlich oberhalb des Hochofens, die Gießhalle war nicht weit von der Abstichhalle entfernt. Der Rundgang führt als sechste Station hierhin.

Schraubstock, Amboss und Hammerkopf ruhen an den Wänden unter dickem Glas. Sie veranschaulichen exemplarisch, welche Werkzeuge zur Formung des Roheisens notwendig waren. Im offenen Gießbett glühen noch einfache Gussstücke wie Zahnräder, Herdplatten und Einzelteile für Lokomotiven. Zwar befindet sich in den Formen kein heißes Eisen mehr, jedoch macht ein Lichteffekt das Aushärten für jedermann erkenntlich.

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Zudem sehenswert in der Gießhalle sind zwei 3,20 Meter hohe Schachtöfen, in denen Roheisen nochmal geschmolzen werden konnte, um es zu vergießen, sowie ein großer Kran, der dabei half, das nicht mehr von Hand transportierbare Material zum Gießbett zu schaffen.

Sein Seil ist noch gespannt. Ob er noch funktionstüchtig ist? Das bleibt vorerst ein Rätsel. Die Tour geht weiter. Die Eindrücke bleiben.

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Während der Körper einen Schritt vor den anderen setzt, ist der Geist noch in einer anderen Welt unterwegs. Dann taucht ein Schild mit der Aufschrift „Trostwald“ auf. Was das wohl ist? Wohin es wohl führt?

Wie sich herausstellt, ist es ein ruhiger Ort, an dem Verstorbene an Baumgrabstellen beigesetzt werden. Bedächtig schreiten Wandernde voran. Zeit für eine längere Pause ist es noch nicht.

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Die Sonne scheint unermüdlich. In der Luisenhütte geriet die wunderbar erhellte Landschaft ins Hintertreffen. Nun kommt sie erneut zu voller Geltung. Beim Blick zu den Seiten leuchten die Blätter in hellen Farben. Vögel zwitschern an allen Ecken.

Kaum ein Zeichen deutet heute noch darauf hin, dass in direkter Umgebung im 18. Jahrhundert die Erze in Steinbrüchen, trichterartigen Vertiefungen (Pingen), Schächten, Gruben und Stollen abgebaut wurden. Nur die Wanderkarte und einige Hinweisschilder hüten das Geheimnis. Vor dem inneren Auge werden sie sichtbar.

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Jetzt aber: Pause!

Auf der Aussichtsplattform bei Balve-Mellen bietet sich Reisenden eine traumhafte Panoramasicht. Hier lässt es sich aushalten. Die Füße hoch, schließlich ist das eine …

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Wer nun nach einer Feldquerung dem Orlebach in nordwestlicher Richtung folgt, der gelangt nach zwei oder drei Kilometern zum Reitverein Balve und der Reitanlage am Schloss Wocklum. Hier wird jährlich im Juni Spitzensport  geboten: das Longines Balve Optimum, die Deutschen Meisterschaften im Dressur- und Springreiten. Bei der Wanderung des Kulturkenners sind die Sitzplätze allerdings leer und die Pferde im Stall.

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Die Geschichte des Schlosses Wocklum reicht bis ins 14. Jahrhundert zurück, als das Rittergeschlecht von Wockelhem dem Schloss seinen Namen gab. Danach entwickelte sich das Gut über die Jahrhunderte von einer wasser- und wallgeschützten Hofanlage zu einem Wasserschloss barocker Prägung. Umbauten und Sanierungen sorgten für den Wandel. Seit rund 370 Jahren ist es nun Privatbesitz der Familie Landsberg-Velen.

Für exklusive Veranstaltungen wie Landpartien oder Jahresfeste öffnen die Eigentümer ihre Tore für Gäste. Dann bieten Kunsthandwerker*innen etwa ihre Waren feil, und regionale Spezialitäten kommen auf den Tisch.

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Spricht man von Balve, dann darf die Balver Höhle in der Aufzählung der kulturellen Anziehungspunkte nicht fehlen. Auch auf der Wanderung nicht.

Der Felsendom ist mit seinem funkelnden Lichterspiel und der einmaligen Akustik Veranstaltungsort für Konzerte, Theateraufführungen, Messen, Festspiele und Musikfestivals aller Couleur. Leider ist das unterirdische Reich mit seiner Haupthalle und beiden Seitenarmen nur an Eventterminen zu besichtigen. Der Kulturkenner kommt ein andermal wieder.

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Rückblickend ist die Luisenhütte, deren Name ganz nebenbei auf die Gattin des Hüttengründers, Ludowika (Luise) von Westerholt-Gysenberg, zurückzuführen ist, für sich genommen bereits ein schönes Reiseziel, das Jung und Alt in die Vergangenheit eines Wirtschaftsstandortes entführt. Der Wanderweg „Rund um die Luisenhütte“ verbindet zudem Kultur- und Naturerlebnis.

Unsere Empfehlung: Spätestens auf Tour gehen, wenn zeitgleich eine Veranstaltung in der Nähe stattfindet. Ab der Saison 2024 ist auch das Museum für Vor- und Frühgeschichte auf dem Hüttengelände der Luisenhütte wieder für Gäste geöffnet.

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Eine Produktion des Tourismus NRW im Mai 2023 für Kulturkenner.de.

Bilder und Videos: Maximilian Hulisz
Konzept und Texte: Maximilian Hulisz, Jens Nieweg

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