Kolumba: Kunst auf Trümmern
Das von Peter Zumthor erbaute Kunstmuseum des Erzbistums Köln.
Räume für die Kunst Eng, weit, hoch, breit, schmal, licht, düster – sehr besondere und ganz unterschiedliche Orte für die Kunst: Das sind die Museumsräume im Kolumba.
Die Räume meiden das Spektakel, drängen sich nie in den Vordergrund.
Die Umgebung spielt immer mit. Sie bringt Werke zur Wirkung, inspiriert Menschen: Künstler*innen, Kurator*innen und auch die Besucher*innen.
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Gebaut auf Geschichte Der Schweizer Architekt Peter Zumthor hat das 2007 eröffnete Museum mitten in der Stadt auf Ruinen errichtet. Bis zur Bombennacht im Juni 1943 stand hier die spätgotische Kirche Sankt Kolumba . Auch sonst birgt das Gelände einige architektonische Vorgänger: Die Überreste römischer Wohnhäuser, einer fränkischen Altar-Nische und dreier romanischer Kirchen waren hier bei Ausgrabungen in den 70er-Jahren zu Tage getreten.
"Nichts wegnehmen, nichts ergänzen!" Peter Zumthor nahm diesen Wunsch der Bauherren ernst: Ganz selbstverständlich gründete er das Museum auf den alten Mauern. Im größten, ungemein stimmungsvollen Ausstellungssaal des Erdgeschosses ist die Vergangenheit ganz nahe. Baureste aus unterschiedlichsten Zeiten blieben hier erhalten.
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Im Zickzack führt der Weg über einen hölzernen Steg. Vorbei an schlanken Stützen, die emporragen aus den Mauerresten. Der Blick hinab fällt auf archäologische Zeugnisse aus zwei Jahrtausenden. Und hinauf schaut man dem feinen Lichtmosaik der durchlöcherten Backsteinmauern entgegen.
Der Architekt wählte kleine Backsteine, eigens von Hand gefertigt. Durch ihre helle, warme Färbung harmonieren sie mit den alten Bruchstücken aus Tuff, Basalt und Ziegel.
"Licht- und Schattenmuseum" Wenige wohl gewählte Materialien bestimmen auch das Bild im Inneren: Lehmputz gibt den Wänden lichtgraue Farbe. Auf den Böden wechselt glänzender Terrazzo mit stumpfem Mörtelbelag.
Immer wieder beeindrucken die vielfältigen, eigenartigen Licht- und Raumerlebnisse. Das erste Ausstellungsgeschoss - schmal und fensterlos - ist künstlich beleuchtet.
Hier liegt auch das finstere "Armarium", wo sich die Ausstellungsstücke zwischen pechschwarzen Samtwänden in hell erleuchteten Regalen und Vitrinen präsentieren.
Der Weg in die zweite Etage führt dem Licht entgegen, das hier vor allem durch rahmenlose und bodentiefe Fenster einfällt. Kolumba soll ein "Licht- und Schattenmuseum" sein, das sich im Wechsel der Tages- und Jahreszeiten entfaltet. Auf immer gleiche Belichtung, die am heiteren Frühlingsmorgen wie am regnerischen Novemberabend "perfekten" Kunstgenuss verspricht, wird verzichtet.
Immer offen Abwechslung und Offenheit sind angesagt im Kolumba. Darum gibt es auch keine speziellen Räume für bestimmte Werke. Jedes Jahr konzipieren die Kurator*innen eine neue Ausstellung und suchen sich in der Vielzahl der möglichen Raumsituationen die passende aus.
Probieren und kombinieren: Das Miteinander von Altem und Neuem ist Pflicht. Dabei werden immer wieder anregende Dialoge in Gang gebracht. Hier etwa trifft Videokunst auf Schnitzerei des 17. Jahrhunderts.
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Nicht nur Bildende Kunst hat in diesem Museum ihren Platz. Neue Sichtweisen öffnete zuletzt eine ungewöhnliche Kooperation von Kolumba und Tanz Köln. Dabei eroberte die bewegte Kunst verschiedene Räume. Hier sind es drei Tänzerinnen - Josefine Simonsen, Emma Stacey und Jana Griess -, die jeweils unterschiedlich auf die Umgebung reagieren. Alle drei interpretieren "Ten Kinds of Memory and Memory Itself" von Richard Tuttle. Mit einfachen Fäden legen sie dabei Zeichnungen auf dem Boden aus.
Die Ruhe nach dem Tanz: Auch die Pausen finden einen passenden Raum. Im Lesezimmer sitzt jedes Detail. Mit seinen Ledersesseln, der edlen Holzverkleidung und den grau bis schwarz schattierten Seidenbahnen vor den Fenstern wirkt es durchaus wohnlich.
Auch draußen pausiert man stilvoll: Peter Zumthor setzte sein ummauertes Gärtlein an die Stelle eines alten Friedhofs und bepflanzte es mit elf Christusdornbäumen.
"In die Weite" - die aktuelle Jahresausstellung Kolumba macht mit beim Festjahr "1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland". Die Jahresausstellung 2021/2022 entstand in Kooperation mit dem noch im Bau befindlichen Jüdischen Museums MiQua in Köln und beleuchtet unterschiedliche Aspekte des großen Themas.
"1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland": ein riesen Pensum. Doch die Kurator*innen gehen es gelassen an. Sie werfen Schlaglichter hier- und dorthin. Der Gipsabguss vom Titusbogen etwa aus dem ersten Jahrhundert nach Christus zeigt den Siegeszug der Römer nach der Eroberung Jerusalems – sie zerstörten die Stadt, plünderten den Tempel und vertrieben die jüdischen Bewohner*innen, die in alle Welt zerstreut wurden.
Die Schau zeigt wichtige Dokumente, prächtige alte Handschriften, religiöse Kultobjekte neben vielsagenden Alltäglichkeiten. Und sie kombiniert die Zeugnisse jüdischen Lebens immer wieder gekonnt mit Kunst aus dem Kolumba-Bestand.
In der Ausstellung berühren besonders die in den Stücken aufscheinenden Schicksale. Das Kinderfahrrad hatten zwei Freunde 1936 verpackt. Der eine war Jude und musste wohl fliehen. Der andere sollte das kostbare Gefährt aufbewahren, das tat er gewissenhaft. Doch der Freund kam nie zurück. Über Jahrzehnte lagerte die Kiste mit dem Rad unberührt in einem Keller in Süddeutschland.
Lebendige Geschichten, die mit Blick auf die Kunst in Kolumba nachklingen – "wortlos und still". Genauso beschrieb Agnes Martin ihre radikal reduzierte Malerei, von der die Ausstellung ein schönes Beispiel gibt: vertikale Bleistiftlinien, Farbstreifen in hellem Grau und klarem Weiß. "Du gehst einfach hin und sitzt und schaust", diesen Rat gab die Malerin ihrem Publikum. Man muss es in natura sehen, um zu glauben, wie zarteste Töne von innen zu leuchten beginnen, wie Streifen schweben, Linien zittern.
Ein Jahr lang gibt Kolumba diesen Geschichten Raum. Danach wird sich die Kiste mit dem kleinen Jungensfahrrad sicher wieder für eine ganze Weile schließen. Bis das Jüdische Museum MiQUa seine feste Bleibe am Kölner Rathausplatz beziehen kann. Ob die Stücke dort genauso glänzen und wirken werden? Das Gastspiel in Peter Zumthors wunderbarem Museumsbau legt die Latte hoch.
Das Kleingedruckte
Eine Produktion von http://kulturkenner.de/ Oktober 2021
Konzept & Texte: Stefanie Stadel
Videos: Markus J. Feger
Fotos: Markus J. Feger / Kolumba / Stefanie Stadel
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